Rund 260.000 Menschen erleiden nach Angaben der Deutschen Schlaganfallgesellschaft jährlich einen Schlaganfall. Schnelle Hilfe kann entscheidend sein, um das Überleben bzw. das Überleben mit möglichst wenigen Beeinträchtigungen zu gewährleisten. Neben einer schnellen Erstversorgung ist auch die (physio-)therapeutische Versorgung danach von großer Bedeutung. „Physiotherapie ist ein wichtiger Baustein, um Folgeschäden und Einschränkungen möglichst gering zu halten“, sagt Ute Repschläger, Physiotherapeutin und Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK e. V.).
Die häufigsten Ursachen für einen Schlaganfall sind ein Hirninfarkt, eine Hirnembolie oder eine Hirnblutung, durch die die Durchblutung des Gehirns plötzlich gestört wird. Zellen werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und können absterben. Neben der Schnelligkeit der medizinischen Hilfe ist die Ausprägung der Beeinträchtigungen auch davon abhängig, in welchem betroffenen Hirnareal bzw. in welchen -arealen es zu einer Durchblutungsstörung kommt. Ist beispielsweise in der rechten Hirnregion der Bereich für die motorische Kontrolle betroffen, so kann es zu Lähmungserscheinungen bzw. Funktionsstörungen des linken Beins und/oder Arms kommen. Bei Schädigung weiterer Hirnareale sind Gleichgewichts- und Orientierungsstörungen sowie Sensibilitätsstörungen häufige Folgen.
Wichtig ist, dass Physiotherapie möglichst früh, also bereits in der Klinik, einsetzt und nach dem Krankenhausaufenthalt ohne Unterbrechung ambulant fortgeführt wird. Die Behandlung von Patienten, die nach einem Schlaganfall ins heimische Umfeld zurückkehren, geschieht immer im Team. Der behandelnde Hausarzt, Neurologe oder Internist stellt die notwendigen Heilmittelverordnungen aus. Je nach individuellem Krankheitsbild können neben der Physiotherapie auch Ergotherapie oder Logopädie verordnet werden.
Besucht der Patient nach der Entlassung aus dem Krankenhaus das erste Mal den niedergelassenen Physiotherapeuten, verschafft sich dieser in der Eingangsuntersuchung und einem Gespräch einen umfassenden Überblick über die aktuellen Einschränkungen (und auch die individuell wahrgenommenen Einschränkungen) des Patienten. Im Mittelpunkt steht, welche körperlichen Fähigkeiten in Bezug auf die Bewältigung des Alltags und die Teilhabe am sozialen Leben benötigt werden. Ist beispielsweise die Gehfähigkeit beeinträchtigt, so prüft der Physiotherapeut die dafür notwendigen Faktoren wie Kraft, Ausdauer und Koordination. Weitere wichtige Fragen, die ebenfalls zur Therapie gehören, sind: In welcher Weise sind die Selbstständigkeit und Aktivität betroffen? Welche Einschränkungen bestehen im sozialen Leben?
In der Regel erfolgt die physiotherapeutische Behandlung von Schlaganfallpatienten mit Maßnahmen auf neurophysiologischer Grundlage. Das sind Behandlungskonzepte wie das Bobath-Konzept oder auch die „Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation“ (PNF), mit denen gestörte Bewegungsmuster neu erlernt werden sollen. Der behandelnde Therapeut muss hierfür eine entsprechende Weiterbildung absolviert haben.
Der Patient und ggf. auch seine Angehörigen werden immer aktiv in den Behandlungsprozess einbezogen und zu den therapeutischen Möglichkeiten beraten, z. B. in der Akutphase, der Reha-Phase oder auch bei Behandlungen vor Ort zu Hause. Ganz praktisch gesehen kann die Behandlung eines Schlaganfallpatienten wie folgt aussehen. Die Beispiele verdeutlichen den Therapieverlauf bei zwei häufigen Störungsbildern:
Der Patient hat als Folge des Schlaganfalls in der rechten Gehirnhälfte Einschränkungen in der Kraft und/oder Koordination des linken Beins sowie bei der Bewegungskontrolle. Das Patientenziel ist es daher, die Funktion des betroffenen Beins zu verbessern, sodass tägliche Aktivitäten wie das Gehen innerhalb und außerhalb der Wohnung oder das Treppensteigen wieder möglich sind. Der Physiotherapeut wird daher Bewegungen wieder anbahnen sowie gemeinsam mit dem Patienten Kraft- und Koordinationsübungen für beide Beine und den Rumpf erarbeiten. Daneben wird er bei Bedarf auch den Umgang mit Hilfsmitteln trainieren. Idealerweise gestaltet sich der Therapieverlauf so, dass der Patient wieder selbstständig (wenn möglicherweise auch mit Hilfsmitteln) gehen kann. Ein Eigenübungsprogramm, zusammengestellt vom behandelnden Physiotherapeuten, unterstützt den erfolgreichen Therapieverlauf.
Hat der Patient Einschränkungen in der Kraft und Koordination der linken Schulter, des linken Arms sowie in der Feinmotorik der linken Hand, möchte sich aber wieder selbstständig ankleiden können, integriert der Physiotherapeut dieses alltagsbezogene Ziel in die laufende Behandlung. Durch präzise muskuläre Aktivitäten, Eigenübungen für Kraft und Koordination des Arms und der Hand sowie Übungen für die Feinmotorik der Finger arbeiten Physiotherapeut, Patient und Angehörige problemlösend gemeinsam an der Funktion „Ankleiden.
Bei beiden Beispielen spielt die Körperwahrnehmung und das Entdecken von Bewegungsressourcen eine große Rolle, auch, um das Potenzial des Patienten auszuschöpfen. „Die Therapie richtet sich immer nach dem gesundheitlichen Zustand sowie den individuellen Bedürfnissen und Gegebenheiten des Patienten und hat zum Ziel, dass der Patient mit der größtmöglichen Lebensqualität so gut wie möglich wieder am Leben teilnehmen kann“, betont Ute Repschläger.
Bildunterschrift: Der Physiotherapeut arbeitet zusammen mit der Patientin daran, die Gehfähigkeit zu verbessern. Copyright Lopata/IFK